Das Ziel einer perfekt austarierten Symbiose aus Text und Musik, aus Klang und phonetischem Material, bleibt bei Musikern, die selbst auch Lyrik verfassen, immer noch die Ausnahme. Und genau hier setzt Roland Schappert mit seinen Musikproduktionen an, die sich einerseits aus seinen vielfältigen Aktivitäten als Videokünstler, Zeichner, Fotograf und Lyriker herleiten lassen, die aber letztlich so große Gewichtigkeit besitzen, dass sie als eigenständiges Genre dastehen. Ausgangspunkt ist bei seinen Arbeiten die ohnehin in der Lyrik fest verankerte Poesie (Poetry), deren Klang im Ausdruck durch Rezitation erweiterbar erscheint mit Sounds schlechthin bzw. deren künstlerischer Umgestaltung mit Rhythmik und Melodik (Sound Poetry). Schapperts Sound Poetry schafft dabei unverbrauchte Strukturen, er arbeitet undogmatisch und nonkonformistisch, indem er Bereiche anstrebt, die im Allgemeinen den gewöhnlichen Verordnungen gehorchen, sie mit neuen Melodien und frischen Ideen anhäuft und so Resultate erzielt, die bis jetzt gemeinhin durchführbar angesehen wurden. Einer dieser Bereiche ist die Club-Kultur, und er revolutioniert diese Kultur nicht nur in der Transformation von dance-kompatiblen Stücken in eine abstrakt mutierte Avantgarde, sondern erreicht durch die Weichenstellung eines Mit- einanders von Gewohntem und gleichzeitigem Zersetzen eine Synthese, welche die Abstraktion digitaler Musik in anderem Licht erscheinen lässt. In der Verbindung von Text und Musik – von Poetry und Sound Poetry – kristallisiert sich deutlich eine virtuelle Poetry heraus; ja, man kann sagen – analog zu Schapperts Bildern, die Musik besitzt eine grobkörnige, fast schon pixelhafte Substanz, Sound Poems vorwiegend ungeschliffenen Charakters voller Trashelemente und dem untrüglichem Gespür, Elektronika jenseits der Konventionen zu pflegen. Viele Stücke, die Roland Schappert quasi im Alleingang realisiert, basieren auf seiner Lyriksammlung, und es ist nicht übertrieben zu sagen, dass er den Text benutzt, um einen Dialog zur Musik herzustellen, dass er den Text sozusagen rhythmisiert, ihn mittels Sampling-Verfahren seines Kerns beraubt, ihn fragmentarisch zerlegt und neu aufeinander schichtet in mehreren Tonspuren – das Ganze also regelrecht geremixt wird unter den nebenher laufenden Komponenten des Musikalischen, die vorzugsweise auf jeweils einzelnen drumlines basieren und einen bestimmten pulsierenden Rhythmus erzeugen. Doch immer dann, wenn das Spiel mit Wiederholungen, mit gesampelten Loops vertraute Club-Ästhetiken tangiert, also im Begriff ist, als veritable Dance- oder Drum’n’Bass-Stücke Fuß zu fassen, wird ein neuer Transformationsprozess eingeleitet, neue kompositorische Motive tauchen auf, wodurch die lineare Erzählstruktur permanente Unterbrechungen erfährt und nicht zur Ruhe kommt. Am anschaulichsten wird diese Prozedur vielleicht in der Remix-Version von „Batterie Todt“ bestätigt, die ihren Ursprung in dem Gedicht „Kooperation“ hat, das sich wiederum bruchstückhaft, frei-assoziativ auf Fritz Todt, den ehemaligen Reichsminister für Bewaffnung und Munition während der Nazi-Diktatur bezieht. Schapperts Besuch des Museums „Batterie Todt“ in Frankreich liefert auch das Bildmaterial für sein gleichnamiges Musikvideo. Die Bedeutung des Originals wird hier in zahlreichen Arbeitsschritten, in zigfachen Studiomanipulationen von seiner Grundsubstanz befreit, um sich schließlich in einer Art abstrakten Konstitution des einst fragmentarisch Dokumentarischen wieder zu finden. Dies ist wohl das Charakteristische an Schapperts Methode: Veränderungen ursprünglicher Fassungen, die zu neuen medialen Ergebnissen hinführen – eine mit den Mitteln des Klangs geformte intermediale Sprachfindung. Bleibt noch zu vermerken, dass viel zum Gelingen dieser Musik, die hoffentlich bald auch auf Platte erscheinen wird, die enge Zusammenarbeit mit Barbara Schachtner beiträgt, einer ausgebildeten Opernsängerin, die Schapperts Texte und Rhythmen kongenial interpretiert, wobei ihre Stimme nur selten durch Aufnahmeeffekte künstlich verfremdet wird. Dafür kommt ihr wohlklingender Sopran auf zwei Vokalstücken voll zum Einsatz, die stark von neuer Avantgarde-Musik beeinflusst sind. Zwei Stücke, die zusammen mit 26 kurzen Nocturnes für einen etwas gemäßigteren Kontrast sorgen in einem klingenden Szenario, das ansonsten von aufwühlender Expressivität angefüllt ist.
POETRY KOOPERATIONEN. MIT GÄSTEN, Künstlerbuch, 72 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Texten von R. S. und Michael Ebmeyer, Dieter M. Gräf, Joachim Ody sowie Sabine Maria Schmidt, Salon Verlag, Köln 2003. ISBN 3-89770-202-9